Frank Stadelmann lebt für den Fitnesssport
Von Dennis Maslo – Jeversches Wochenblatt, erschienen am 28.12.2019
PORTRAIT – Der 61-Jährige erzählt von seinem eigenen Studio und welche Rolle Arnold Schwarzenegger für ihn spielt
Urlaub ist für Frank Stadelmann nicht mehr als eine weit entfernte Erinnerung: Seit 37 Jahren hat er sein eigenes Fitnessstudio, das er ohne Hilfe von Mitarbeitern betreibt.
Jever – Frank Stadelmann steht hinter dem massiven Holztresen seines Fitnessstudios und schaut in Richtung Eingangstür. Es ist 9 Uhr. Seine feuchten Haare liegen zu einem kleinen Seitenscheitel, die Stirn glänzt, im Raum riecht es nach Deodorant. Noch ist er alleine. Seine Hände liegen akkurat nebeneinander auf der Tresenfläche und er grinst. Er hat etwas gehört. Die Tür. Frank Stadelmann reißt beide Hände in die Luft, um winkend den ersten Gast zu begrüßen. Auf dem Tresen bleibt ein kleiner Schweißfilm in Fingerform zurück. Ein langgezogenes „Moin“ durchbricht das kaum hörbare Musikgemisch, das aus dem Radio summt. Der Mann, der just durch die Eingangstür kommt, grüßt mit einem flüchtigen Winken zurück, ehe er rechts abbiegt und in einer Umkleidekabine verschwindet. Sein Gast scheint es nicht zu wissen: Für Frank Stadelmann ist heute ein besonderer Tag. Ein Jubiläum, sozusagen. Seit 37 Jahren hatte er keinen Urlaub mehr und musste jeden Tag aufs neue hoffen, dass er nicht krank wird. Und trotzdem lächelt er seinem ersten Gast freundlich entgegen.
Neben dem Tresen hängt er – der Grund, weshalb der 61-jährige sieben Tage in der Woche in seinem Fitnessstudio verbringt: Arnold Schwarzenegger. Auf einem leicht ausgeblichenen schwarzweiß Foto präsentiert der damals noch junge Bodybuilder seinen angespannten Oberarm und lächelt dem Betrachter entgegen. Die orangefarbenen Wände des Eingangsbereichs sind noch mit sechs weiteren nachttischfoto-großen Bildern von muskelbepackten Männern gespickt. Doch nur Schwarzenegger hat für Frank Stadelmann eine ganz besondere Bedeutung. „Als ich jung war, dachte ich mir: So will ich auch gerne aussehen. Arnold ist mein Idol“, erzählt er. Damals war Frank Stadelmann 22 Jahre alt. Um das zu schaffen, mußte er trainieren, allerdings gab es in seiner Heimat Jever kein Fitnessstudio. Also fuhr er regelmäßig in das 20 Kilometer entfernte Wilhelmshaven. Doch das war er bald leid.
Die Bizepsmaschine im Reihenhaus
Was als Hobby begann, wurde schnell zu einer Berufung: Zwei Jahre später beschloss er einen Kredit aufzunehmen und sein eigenes Fitnessstudio zu gründen. Er ging volles Risiko, doch wurde schnell belohnt. Die Leute kamen in Scharen, schnell wurde die angemietete Halle einer ehemaligen Druckerei zu klein und Frank Stadelmann stand bereits eineinhalb Jahre nach der Gründung seines Fitnessstudios vor einem Problem: „Ich habe einfach nicht mit so einem Ansturm von Leuten gerechnet. Die wollten alle trainieren und es gab ja sonst kaum eine Möglichkeit.“ Also musste er expandieren.
Er verlagerte seine Fitnessgeräte einfach in ein kleines Haus in derselben Straße. Eigentlich war das zweistöckige Gebäude dafür gedacht, dass dort eine kleine Familie wohnt, doch Frank Stadelmann hatte andere Pläne: Wo zuvor noch Sofa und Sessel standen, steht seitdem die Bizepsmaschine direkt neben der Beinpresse. Wo die Küche war, thront ein riesiges Regal voller bunter Eiweißshake-Dosen. Und in dem oberen Stockwerk ist kein Schlafzimmer eingerichtet. Stattdessen verausgaben sich dort schwitzende Kraftpakete im Freihantelbereich. Durch die Vergrößerung konnte Frank Stadelmann noch mehr Kunden aufnehmen und alles schien glatt zu laufen.
Hin- und hergerissen zwischen zwei Jobs
Doch tatsächlich war er völlig hin- und hergerissen, denn er hatte zwei Jobs. Während er nebenbei sein Fitnessstudio zum Laufen brachte, war er immer noch in einem Elektrohandelgeschäft in Jever angestellt und musste dort zur Arbeit erscheinen. Jemanden einzustellen, der sich in seiner Abwesenheit um sein Studio kümmert, kam für ihn nie in Fage und so verbrachte er jeden Vormittag hinter der Theke des Elektroladens und eilte nach Feierabend zu seinem Fitnessstudio. Dort betreute er von 15 bis 21 Uhr seine Kunden. Drei Jahre lang hielt Frank Stadelmann diese Doppelbelastung aus, dann zog er einen Schlussstrich – und zwar unter seine Arbeit im Elektrohandel. Seitdem hat er sich voll und ganz dem Leben für den Fitness-Sport verschrieben. Da passt es nur in sein Konzept, dass er dabei ganz alleine ist: „Ich bin eine One-Man-Band und spiele Rock’n’Roll. Immerhin rocke ich den Laden schon seit einer halben Ewigkeit und brauche eigentlich niemanden, der mir dabei hilft“, sagt er mit einem Grinsen.
An dieser Einstellung hat sich auch 37 Jahre nach seiner Geschäftsgründung nichts geändert. Lediglich eine Reinigungskraft hat er eingestellt, aber alles andere macht er immer noch selbst. Sieben Tage die Woche. Zehn Stunden pro Werktag. Und auch in seiner Mittagspause, in der das Studio geschlossen ist, verlässt er seinen Laden nur gelegentlich. Meistens nutzt er die Zeit, um selbst zu trainieren. Dann steht er schwitzend in seinem roten Oberteil und seiner schwarzen Trainigshose auf dem Stepper.
Keine Spur von Müdigkeit
Aufgeben kam für Frank Stadelmann nie in Frage und auch vom Zur-Ruhe-Setzen will er nichts wissen. Zwar ermöglicht sein Job wenig Privatleben, doch das braucht er auch nicht, wenn er doch sowieso so gern in seinem Fitnessstudio ist. „Ich bin niemand, der nach Hause kommt und dann Vogelkästen baut oder sechs Tage die Woche in der Sauna verbringt, ich bin jemand, der den Sport liebt.“ Neben all der Arbeit bleibt ihm allerdings doch noch etwas Zeit für die Familie. Seit 25 Jahren ist er verheiratet – und zwar mit einer Frau, die durch ihren Beruf als Stewardess ebenfalls kaum zuhause ist. „Umso schöner ist es dann, wenn wir beide Zeit haben und uns sehen.“ Bei seiner Arbeit habe seine Frau ihn immer unterstützt und von ihren vielen Reisen habe auch er selbst profitiert. Seine Frau hat auf ihren Touren verschiedenste Fitnessstudios rund um die Welt getestet und ihm davon berichtet. Das sollte sich auszahlen: Auch heute noch ist in seinem Studio eine Menge los.
Mittlerweile ist es 10 Uhr. An Frank Stadelmanns Tresen sind schon 16 Gäste vorbeigelaufen und im Gerätebereich verschwunden. Ein durchgeschwitzter Sportler kommt um die Ecke, um sich von Frank Stadelmann seine Wasserflasche nachfüllen zu lassen. Dann wird kurz gesprochen. Nicht über das Wetter, sondern über private Dinge, denn jeder hier kennt den 61-Jährigen. Ein schrilles Telefonklingeln unterbricht das Gespräch. Auf dem Tresen steht Frank Stadelmanns halb aufgegessener Joghurt und aus der Umkleidekabine kommt ein frischgeduschter Sportler, der darauf wartet, dass er ihm einen Eiweißshake anrührt. Es gibt viel zu tun, doch der 61-jährige ist in seinem Element. Vor ihm liegen noch neun Stunden Arbeit. Er freut sich über den Trubel in seinem Laden und vor allem freut er sich schon darauf, morgen wieder um 9 Uhr hinter der Theke zu stehen und auf seinen ersten Kunden zu warten.
Artikel aus dem Jeverschen Wochenblatt vom 28.12.2019 als PDF-Dokument
Foto und Text: Jeversches Wochenblatt – Friesisches Tageblatt